Heimatstube Altenau-Schulenberg
38707 Altenau (Oberharz) - Im Kurgastzentrum "Altenauer Hof"

Gedichte und Texte von Karl Reinecke


Gedichte in Oberharzer Mundart

Heimot

Bist mant aus Wies un Hols,
Ä hungrich Land.
Es reckt de Sohthäht bluhß
Bis ahn dr Barche Rand.

Dei schpätes Friehjohr kennt
Kä frehlich Gliehn.
Kennt lautes Juchzn nett,
Kä Applbahmerbliehn.

Aus deinr Ahrd, do wächst 
Kä Bruhtkorn vier.
Un kän Nachtigall
Vrschleht sich nauf nohch dir.

Un dennoch bist ahch du
Aus Gottes Hand.
Wie lieb ich dich,
Du hartes, harwes Land.


Dr Zessighahn

Hinner Zallerfall
Of dr Ringerhall
Schtieht ne griene Bank,
Schien de Sunn su blank.

Of dr Ringerhall
Hinner Zallerfall
Hot än Zessighahn
Uns was zugesahn.

Doch dr Zessighahn
Schpricht: Wos giehts mich ahn
Was de bäden tuhn,
Bin kän Schnatterhuhn.

Immer gäng es ju
Alle Jarsch su zu,
Of dr Ringerhall
Hinner Zallerfall.


Schileifer-Liedel

Such, Alte, har dan blae Schweeter,
un denn de Schtrimpmitz lang mr vier!
Ich muss noch draußen, Kreiz un Zeter,
drhäm wärds heit ze eng vor mir.

Refrain:
Wenns um de Klippen jauelt,
wenns schtewert, schtermt un hauelt,
dos is de rachte Zeit
for de Schneeschuh-Leit.

Ihr Brattle, nu von Buhdn runter,
wu Schtahb un Schpinneweh eich ziehrt,
mit Kliester denn mol nauf un nunter,
jetz blitzt'ar wieder wie poliert.
(Refrain)

In Rucksack Butterschtick un Schinken,
un dos net zu knapp gewuhng,
drmit in Hols de Kräft net sinken
un sich der Mohng net fiehlt betruhng.
(Refrain)

Schi Heil, schnallt ahn, de Barche locken,
in Marmor sich de Wildnis klädt,
war hintern Uhfen sitzt mit Socken,
bleibt garn drhäm, mir braung eich net.
(Refrain)

De Häng bargnauf, in Schußfahrt nieder,
bes bald dr Ohmd sich robwärts senkt,
es hot dr Winter uns mol wieder,
än Tohk nohch unnern Harz geschenkt!
(Refrain)


Bruchbergwinter

Du bist ewig schön, mein Bruchberg.

Stürme umtoben dich. Zyklone wollen deine Forsten zerknittern. Du trotzt ihnen mir der Ruhe des Titanen. Und mit immer gleicher Gelassenheit schaust du hernieder ins Harzheimatland.

Schön bist du, wenn der Lenzwind durch deine Wildnis harft, im fahlen Morgengrauen der Auerhahn seinen Liebesruf über das Hochmoor schickt und zwischen Wipfelrauschen und Schneewassergeriesel irgendwo die Zippe ihr Frühlingslied flötet.

Schön bist du, wenn flimmernde Sommerluft zittert und blau, endlos blau, die Fernen zu deinen Füßen liegen. Würzdüfte atmen durch das Gehölz. Deine Fichtenhallen sind voll Finkenschlag. Und draussen am Moor, wo rosafarbene Knabenkräuter im Torfmoos blühen, singt sich der Baumpieper sein Sommerglück vom Herzen. In heimlichen Gründen hütet das Alttier sein Kalb. Fingerhut lässt Purpurglocken über die Waldblößen leuchten, und zwischen Wald und Weite schwebt gelassenen Fluges der Habicht. Wie liebe ich deine Sommertage voll Blau und Grün!

Und schön bist du, wenn Herbstnebel dich mit Dampf umhüllen und deine Fichten und Felsen sich wie Riesen in graue Wolken recken; wenn Borstengras und Quitsche sich färben und in reiffrostigen Oktobernächten der Hirschschrei durch Hai und Hochwald hallt. 

Aber am schönsten bist du doch, wenn dich Schnee und Rauhreif eingesponnen haben. Dann bist du ein Gottestempel geworden. Ein Märchenland voll Schönheit ohnegleichen hat sich in dir aufgetan. Schneeschuhfahrt durch deine Hänge ist Andacht.

Wie groß und herrlich ist die Stille, die in der Wintereinsamkeit deiner verschneiten Höhe träumt! Alles Laute ist dir fremd. Du bist schweigsam, wie alles Ewige stille ist. Dein Antlitz ist voll Ernst und voll herber Melancholie. Das Dunkel deiner Wälder kann sich lastend auf die Seele legen. Aber der Winter breitet über das Düster eine lichte Verklärung. Das bang Bedrückende weicht. Deine Ruhe wird Wohltat, Gottfriede.

Wie köstlich fern liegt das Leben!

Tief unten verdämmert die Welt in silbernem Duft. Was in der Tiefe den Alltag bewegt, nichts von allem dringt hinauf in den Frieden dieser weißen Einsamkeit, in der der Herrgott wohnt. 

Des Bergwalds Leben ist zur Ruhe gegangen. Das Hochwild wechselte zu Tal. Wenn nicht eine Marderfährte durch den Schnee tupfte und da und dort das Geläuf der Auerhenne, es könnte scheinen, als sei alles Geschöpf hier oben gestorben. 

Die Fichten schlafen. Das Goldhähnchen wagt nur ein leises, leises Silbersingen, dass es ihre Ruhe nicht störe. Ihr Schlaf ist tief und fest. Sie beugen unter schwerer Bürde und stehen da, wie betende Büßer, die schicksalsergeben auf Erlösung harren. Wie nickende Träumer, die von Lenz und Drosselflöten träumen.

Es ist eine große Stille im Wald.

Manchmal rüttelt ein Windstoß an den Wipfeln. Dann rauscht es über die Bäume hin, wie klagendes Sehnen: Wann kommst du wieder, schöner Frühling…? Es verklingt mit einem leisen Mollakkord, leise, schmerzlich - und wieder schläft der Wald.

Sein Schlafgewand ist weiß und rein. Jedes Fichtennädelchen, jedes Rindengeschuppe und Flechtengekräusel ist mit Glitzersternchen umsponnen. Es geht ein heimliches Flimmern durch den Wald, das seinen Ernst lichter macht. Aber nirgends ist eine aufdringliche Helle. Wie in einem Dom ist’s. Er baut sich auf aus Silber und Marmor. Durch grünviolette Scheiben fließt zartfarbenes Dämmerlicht in seine Säulenhallen. Wenn die Sonne herein schaut, sprüht in Smaragden und Rubinen ein Festgeleucht. Dann ist Feiertag im Dom. Alle Kerzen sind angezündet. Der Wald betet.

Bleibe stehen, Wanderer und bete mit. Verhalte den Atem, dass du die Andacht nicht störst. Lass deine Schneeschuhe langsam gleiten, dass ihr Knirschen nicht die Stille zerreißt. 

Fühlst du das Pochen des Blutes in der Brust? 

Bleibe stehen. Und so du ein Gottessucher bist, wird dir der Wald von silbernen Altären herab eine Bergpredigt halten, die du nicht vergisst. Halte aus bis zum feierlichen Amen. Dann wirst du beglückt von dannen ziehen. Und wirst die Fäuste ballen, wenn Johler und Schreier vorüber fahren, die mit ihrem Lärm den Gottesfrieden schänden.

Aber lass die Horden.

Wem dieser Wald nicht die Lippen stumm und die Augen weit macht, der sei dir zu erbärmlich.

Lass sie, und fahre aus dem Kirchendämmer des Gehölzes hinaus und hinauf aufs freie Moor. Über dir wölbt sich Berghimmelunendlichkeit. Bäume und Bäumchen sind zu Boden gedrückt, Rauhreif hat sie verhext. Bucklige Kobolde hocken da. Es schnarchen ungeschlachte Riesen, kauern schlafende Moorhexen, schlummern vermummelte Prinzen und Prinzessinnen. Feuersprühende Drachen schnauben, greuliche Saurier recken sich - Gott sei Dank, dass sie starr wurden, just als sie zum Sprung ausholten.

Wenn du Märchenaugen hast und zu glücklicher Stunde hier oben weilst, wird dir auch die Bruchbergkönigin erscheinen. Sie kommt auf einem weißen Hirsch aus dem Walde hergeritten. Über ihren Schultern hängt kostbarer Hermelin. Ein silbernes Krönlein strahlt auf ihrem Blondgelock. Sie reitet schweigend über das Moor. Die Bäume neigen sich vor ihr. Sie nickt ihnen einen milden Gruß zu. In ihren Blauaugen spiegelt sich die weiße Welt. 

Nun ist sie vorbei. Du stehst noch und starrst und hältst den Atem an, möchtest vor ihrer Schönheit in die Knie sinken, ihr die Hände küssen, oder gar den Mund und denkst and den Edelknaben Schön-Rohtraut oder Tom, den Reimer… Aber sie ist längst vorbei. Du suchst ihre Spur vergebens. Doch du merkst, dass sie dich verzaubert hat. Heimliche Sehnsucht bleibt in dir brennen. Ewig wird’s dich zurückziehen in das Reich der schönen Königin.

Die Sonne will versinken. Ihr letztes Leuchten streift über die Kämme der Berge. Es malt strahlende Säume und die Fichten, taucht die Wanderer ein in tiefes Orange und überzieht den Brocken drüben mit rotem Gold. Jedes Vorwärtsgleiten der Schneeschuhe ist ist funkelndes Gesprühe. 

Nun ist der Sonne Gutenachtkuss verhaucht. In den Fenstern des Brockenhauses verlischt ein müdes Blinzeln. Dann ist auch für die Höhen die Blaue Stunde gekommen, die Wälder und Täler längst erfüllte. Himmel und Schnee werden eins. Es ist Zeit, zur Hütte zurückzukehren. Um die Dämmerstunde wachen die Berggespenster auf. Lebe wohl, du schöner Wald.


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